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Channel: Sozialauswahl – Rechtslupe
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Sozialauswahl – und ihre gerichtliche Überprüfung

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Seit Inkrafttreten der Neuregelung des § 1 Abs. 3 KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12 2003 ist die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG allein anhand der Kriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung vorzunehmen.

Sie bilden jeweils typisierend die Merkmale einer besonderen Schutzbedürftigkeit aus. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG verlangt vom Arbeitgeber die „ausreichende“ Berücksichtigung der dort angeführten Auswahlkriterien. Ihm steht damit bei deren Gewichtung ein Wertungsspielraum zu.

Dem Gesetzeswortlaut ist nicht zu entnehmen, wie die genannten sozialen Gesichtspunkte zueinander ins Verhältnis zu setzen sind. Keinem Kriterium kommt eine Priorität gegenüber den anderen zu. Vielmehr sind stets die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern und deren „Sozialdaten“ zu berücksichtigen und abzuwägen. Dabei braucht der Arbeitgeber nicht die „bestmögliche“ Sozialauswahl vorgenommen zu haben.

Ebenso wenig ist es entscheidend, ob das Gericht dieselbe Auswahl getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich die sozialen Erwägungen hätte anstellen und die sozialen Grundlagen hätte gewichten müssen.

Der dem Arbeitgeber einzuräumende Wertungsspielraum führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer sich mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können.

Die Gleichrangigkeit der Auswahlkriterien verlangt, die mit ihnen verbundenen konkreten Daten der betroffenen Arbeitnehmer in ein Verhältnis zueinander zu setzen. Die Arbeitgeberin kann danach grundsätzlich die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannten Kriterien in einem Punkteschema unterschiedlich bewerten.

Die Arbeitgeberin darf zudem durch eine entsprechend hohe Bewertung der Unterhaltspflichten berücksichtigen, dass ältere Arbeitnehmer durch das Abstellen auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter überproportional begünstigt sein können, denn eine lange Betriebszugehörigkeit geht regelmäßig mit einem höheren Lebensalter einher.

Das Gesetz erkennt mit § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG an, dass die Härte, die der Verlust des Arbeitsplatzes für einen Arbeitnehmer bedeutet, nicht ausschließlich durch sein Lebensalter und die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sondern daneben ua. durch die Unterhaltspflichten als weiteres Kriterium bestimmt wird.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. September 2018 – 9 AZR 20/18


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